Essays über Maria Prymatschenko
Ein richtiger Künstler ist derjenige, der eine eigene einmalige Welt seiner Figuren (Gestalten) erschafft, die Welt des Schönen, die es zuvor nicht gegeben hat. Die Bestätigung dessen sind die Gemälde von Maria Prymatschenko, deren Reproduktionen in diesem Album abgedruckt sind.
Das künstlerische Schaffen von Maria Prymatschenko ist seit 1936 bekannt, als bei der Ausstellung der Volkskunst in Kyiw ihre Werke „Die Tiere aus Bolotnja“ (das Heimattorf der Künstlerin, Anm. Übersetzung) ausgestellt wurden. Sie beeindruckten durch die volkstümliche Fantasie sowie durch ihre Märchenhaftigkeit. Sie alle hatten einen weißen Hintergrund voller traditionell ukrainischer altertümlicher Malmotive, insbesondere animalischer Ornamente („Das schwarze Tier“, „Das blaue Tierchen“, „Der grüne Elefant“). Die verspielten und wundersamen Tierchen sehen wir auch häufig mit Blumen verziert. Sie verhalten sich ganz wie die Menschen, sie haben die Gewohnheiten von Menschen. Als wären sie zu uns aus dem Grauen der Jahrtausende als Boten der früheren Vorfahren (Ahnen) gekommen. Die Erinnerung der Erde selbst spricht zu uns, es sprechen die Treue der ursprünglichen Traditionen der slawischen Volkskultur, noch aus den Zeiten, als unsere Vorfahren die Natur noch vermenschlicht, die Tiere und Pflanzen personalisiert haben.
An der Seite der Tiere finden wir bei den Werken von Prymatschenko fast immer Blumen, die ebenfalls vermenschlicht sind: sie scheinen Augen zu haben. Manchmal malt die Künstlerin sie auch mit Augen. Dies ist besonders in ihrem Schaffen aus der Nachkriegszeit zu spüren, wo die Kompositionen mit Blumen und Vögeln dominieren.
Wie eine Biene, die aus den Blumen den Nektar gewinnt und ihn zu Honig verarbeitet, so kreiert Maria Prymatschenko aus den Blumen des Lebens die Blumen der Kunst. Ihre Blumen bemühen sich nicht um den Ähnlichkeitswettbewerb mit der Realität, sie haben keine naturalistisch gemalten Blütenblätter mit den Tautropfen. Und dennoch sind es Blumen. Sie riechen nach Wiesen und Wäldern, sie sind wirklich lebendig, personifiziert – es sind die Blumen der menschlichen Freude und des Kummers.
„Den Menschen zur Freude“ – so wird der Gemäldezyklus genannt, der mit dem Taras-Schewtschenko-Preis gewürdigt wurde. Sie beinhalten das Verständnis für die Farben und ihre Wechselwirkung mit den anderen Komponenten des künstlerischen Werks. Ab diesem Zeitpunkt koloriert sie ihre Figuren noch intensiver. Während die Meisterin davor intuitiv danach strebte („Das Tier Horun“, „Prus“), so nimmt sie jetzt die Farbe durchdacht in ihrer Synthese mit dem Bild und der Komposition auf.
In ihrem Schaffen bringt Prymatschenko die Gefühle, die im (ukrainischen Anm. Übersetzung) Volk, in seiner Folklore, in seiner Mentalität zum Ausdruck kommen. Allerdings illustriert sie keine Folklore, sondern erschafft neue ästhetische Gestalten (Figuren) in einer zauberhaften Welt der volkstümlichen Malerei.
In ihren Kunstgestalten entwirft Prymatschenko echte philosophische Gedanken. Als Ballade einer Mutter wird das Bild „Eine Schwalbe im Nestchen“ wahrgenommen. Als ob in einem Dialog mit diesem Bild stehend spricht das andere „Unter der Sonne auf dem Meer füttert die Schwalbe ihre Kinder“ – das Lied einer Mutter, die genauso wie die Sonne das Leben auf der Erde schenkt.
In dem Album befinden sich sowohl komplexe Bilder, die Szenen aus dem Volksleben zeigen, als auch Landschaften mit Menschen. Besondere Aufmerksamkeit verdient das Bild: „Hey, hinter der Heide, hinter der grünen Heide…“ Darin spiegelt sich das Leben der Künstlerin selbst, die Erinnerungen an ihr Schicksal und ihre Kindheit. Die Menschengestalten sind von Würde und Monumentalität erfüllt. Prymatschenko lässt viele Details gewollt aus. Die Psychologisierung spürt man an der Konstellation selbst sowie an der Originalität der Interpretation.
„… Ich liebe es, zu malen, wie die Menschen im Feld arbeiten, wie die Jugend vorbeigeht, als würden Mohnblumen blühen“, erzählt Maria Prymatschenko. „Ich liebe alles Lebendige, ich liebe es, Blumen zu malen, verschiedene Vögel und Waldtiere. Ich kleide sie in Volkskleider und sie sind mir so fröhlich, dass sie tanzen, weil ich mein Land liebe und diejenigen, die auf dem Land arbeiten, die Freudepflanzen des Lebens in ihrem Wachstum pflegen. Und die Menschen fragen mich: „Wieso malst du, Maria, solch freudige und sonnige Bilder, wenn du doch in deinem Leben viel Leid und Schmerz erfahren hast?“ Und da antworte ich: „Ich male die sonnigen Blumen, weil ich die Menschen liebe, ich arbeite den Menschen zur Freude, damit meine Blumen so sind, wie das Leben des Volkes selbst, dass alle Völker einander wertschätzen, dass die Menschen so leben, wie die Blumen auf dieser Erde.“
Diese Worte von Maria Prymatschenko konnotieren mit ihrer Kunst, mit ihren Figuren, die uns die Welt der Schönheit eröffnen, welche in ihrer Gänze der Erde und dem Leben entspringt.
Grigorij Mestetschkin Vorwort zum Album „Maria Prymatschenko“.
Kiyw; Die Kunst. 1971

